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Wonach genau suchen wir?

Peter Silie und der Wunschbaum - Teil 1

Peter Silie und der Wunschbaum - Teil 1

  • von Falk Maasdorf

„So Mädels, seid ihr startklar? Wir wollen los!“, ruft Marry aus dem Flur, während sie sich mit dem rechten Arm in ihre völlig verknotete Jacke kämpft.

„Gleich!“, hallt die prompte Antwort aus dem Wohnzimmer. Emily, Marrys zwölfjährige Tochter und ihre Cousine Sunny, alias Gurke, stecken in aller Ruhe ihre Handys an die Ladekabel, welche sich an Verlängerungskabeln durchs gesamte Zimmer ziehen. Sie wissen, dass Marry und ihr Lebensgefährte mit ihnen in den nahe gelegenen Wald fahren möchten, um dort gemeinsam einen schönen Nachmittag zu verbringen. „Hast du genug Trinken eingepackt, Mama?“, ist eine der typischsten Fragen von Emily, kurz bevor sie das Haus verlassen. Selbst wenn der überfüllte Proviant Rucksack direkt vor ihren Füßen steht, kann sie sich diese Frage nicht verkneifen.

„Ich geh schon runter und warte draußen auf euch.“, ruft Paul aus dem Treppenhaus. Er hat sich in all den Jahren schon an das Warten  gewöhnt und weiß, dass Hektik die Situation nicht verbessert. Mit dem Proviant bepackt steigt er gemeinsam mit Peppels, dem Familienhund, die Holztreppe im Haus hinab. Währenddessen stellen sich die drei Frauen im Haus noch überlebenswichtige Fragen, wie zum Beispiel: „Soll ich die dicke Jacke oder den Regenmantel mitnehmen?“ oder „Was machen  wir eigentlich nach dem Wald?“. Nach weiteren zehn Minuten vernimmt Paul trampelnde Schritte die sich ihm nähern aus dem Treppenhaus und der Ausflug kann  endlich beginnen. Kurz nachdem sie das Auto bestiegen und die Gurte fest gezurrt wurden, schallt auch schon die nächste Frage von der Rücksitzbank durch das Auto: „Was machen wir eigentlich im Wald?“, fragt Emily voller Erwartung.

„Das wirst du sehen wenn wir da sind. Lass dich überraschen.“, antwortet Marry gut gelaunt. „Ich habe ein paar Spiele vorbereitet.

„Und wofür sollten wir Schreibzeug mitnehmen?“, fragt die neun jährige Sunny  interessiert.

„Auch das werdet ihr sehen, wenn wir da sind.“, gibt Marry zurück, während sie Paul lächelnd ansieht. Er  lächelt zurück und schaltet das Radio ein.

„Mach lauter!“, ertönt es von der Rücksitzbank. „Das ist das neue Lied von Justin Biber!“, kreischt Emily aufgeregt, während sie tanzend auf ihrem Platz hin und her wackelt. Gurke tut selbiges und hebt abwechselnd ihre Hände in die Luft, während ihr Kopf rhythmisch auf und ab wippt. Marry und Paul nicken ebenfalls mit den Köpfen und  lassen sich von der Melodie anstecken. Während die vier auf die Waldstraße einbiegen, klettert auch die Sonne über den Wald und lässt ihn  erstrahlen. Die bis vor kurzem noch knallgrünen Blätter, haben sich im Laufe der letzten Tage rot und orange gefärbt. Der Herbst hält Einzug und die Temperaturen sind deutlich gesunken. Kurz darauf steigt die Familie aus dem Auto und sucht nach einem geeigneten Platz für die gemeinsamen Spiele. Zuerst werden Äste gesammelt und ein Tippi gebaut. Anschließend wird Laub in ein großes Erdloch geworfen und aufgehäuft, um schließlich mit Salto und Arschbombe hinein zu springen. Die drei jährige Peppels rennt durch den Wald und steckt ihre Hundenase in alle Kulen und Wurzeln, um alles zu erkunden. Aufgeregt springt sie umher und animiert die Familie, mit ihr Fanger zu spielen.

„So Mädels, dann kommt mal bitte zu mir und bringt eure Schreibsachen mit!“, ruft Marry schließlich. Kurz darauf kommen die beiden Cousinen angerannt und setzen sich zu ihr, an den Stamm einer Linde. Ruhig erklärt sie Emily und Sunny, was sie als nächstes tun.

„Legt euch die Zettel auf den Schoß und schreibt Wünsche darauf. Stellt euch vor, diese Wünsche wären bereits erfüllt und ihr beschreibt, wie dankbar ihr dafür seid und wie wundervoll sich das anfühlt, diesen Wunsch erfüllt bekommen zu haben. Danach sucht ihr euch einen der Bäume aus und setzt euch zu seinen Wurzeln. Nehmt Kontakt zu dem Stamm auf und verbindet euch  mit ihm. Wenn ihr bereit seid, buddelt ihr an der Wurzel ein kleines Loch und vergrabt dort euren Zettel. Anschließend bedeckt ihr euren Brief mit Erde und kommt zu mir zurück.“

„Das ist super, ich will nämlich einen Hasen  haben!“, ruft Sunny aufgeregt.

„Das sollst du doch nicht verraten, Gurke!“, ruft Emily laut und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. „Dein Wunsch geht doch sonst gar nicht in Erfüllung!“

„Okay, dann schreibe ich es eben nur auf und verrate es euch nicht.“, antwortet sie daraufhin selbstbewusst und beginnt zu schreiben. Auch Paul, Emily und Marry bringen ihre Wünsche zu Papier und verteilen sich anschließend im Wald, um einen geeigneten Baum zum vergraben zu finden. Als sie damit fertig sind, versammeln sie sich wieder, um gemeinsam die Heimreise anzutreten.

„Wie lange dauert es eigentlich, bis sich die Wünsche erfüllen?“, fragt Sunny, als die Familie wieder in ihrer Wohnung eintrifft. „Nur damit ich weiß, wann der Hase kommt!“

„Vielleicht steht er ja schon bei dir zu Hause. Morgen bringen wir dich zurück zu deiner Mama, dann wirst du es erfahren.“, scherzt Marry lachend, erklärt dann aber: „Weißt du Sunny, manchmal dauert es ein bisschen länger, bis sich Wünsche oder Träume erfüllen. Je mehr du daran glaubst, umso schneller wird es wahr. Du darfst nur nie den Glauben daran verlieren. Vor allem aber, und das ist das Wichtigste: hab immer Glaube an dich selbst und deine Fähigkeiten!“

Kurz darauf isst die Familie zusammen ein leckeres Abendessen und die Mädchen sind sichtlich erschöpft von dem Tag. Kurze Zeit darauf  liegen sie in ihren Betten und ihre Augen fallen zu.

„Gute Nacht“, ertönt eine Stimme. „Gute Nacht“, antworten die beiden Mädchen. Dass diese Stimme allerdings weder von Marry, noch von Paul stammt, vernehmen sie in ihrer Müdigkeit jedoch nicht mehr. Haben sie sich in der Nacht zuvor noch heimlich mit Malsachen an den Tisch gesetzt, sind sie an diesem Abend umso erschöpfter. Nach zwei Minuten schlafen beide tief und fest. Nur einer erhebt sich langsam von seinem Platz, um den am Himmel empor steigenden Mond zu beobachten.

 „Der Wächter“

 

Als die Mädchen am  nächsten Morgen erwachen wundern sie sich darüber, dass auf dem Tisch ein Männlein steht. Es wurde aus Alufolie gebastelt und steht wie ein Wächter auf der Tischplatte. „Warst du das, Emily?“, fragt Sunny verschlafen.

„Nein!“, antwortet Emily ebenfalls müde und weniger erstaunt als Sunny. Sie kennt ihre Mutter und weiß, dass man in ihrem Haus jederzeit mit kleinen Streichen und Späßen rechnen muss. „Das waren Mama und Paul! Pass lieber auf wenn du die Tür aufmachst. Vor kurzem haben sie eine Folie gespannt und zwischen Tür und Folie 200 Ballons geklemmt, die mir entgegen kamen als ich die Tür geöffnet habe. Sowas machen sie öfter. Dafür habe ich mit meinem Stiefbruder die Klobrille mit Duschbad eingerieben. Wir haben auch schon, mit dem Nachbar zusammen, heimlich ihr Auto umgeparkt“, erklärt Emily mit halb geöffneten Augen. „Die kleine Figur sollte uns bestimmt erschrecken.“

Sunny ist ein wenig irritiert, findet die genannten Streiche aber äußerst lustig. Kurz darauf stehen die beiden Mädchen auf und hecken gemeinsam einen Plan aus, wie sie Marry und Paul ebenfalls einen Streich spielen können. Von den wilden Plänen aus dem Nachbarzimmer nichts ahnend, bereiten Marry und Paul schon das gemeinsame Frühstück vor. Es werden Brötchen aufgebacken, Eier gekocht und Kaffee und Tee vorbereitet. Kurz darauf stehen die beiden Mädchen  in der Küche und begrüßen die Erwachsenen mit einem hämischen Grinsen.

„Was heckt ihr denn schon wieder aus, hm?“, fragt Paul voller Vorahnung. Er kennt Emily und ihren verräterischen Blick bereits bestens.

„Nichts, wirklich!“, ertönt Emilys Antwort wie aus der Pistole geschossen. Ein Grinsen kann sie sich nur schwer verkneifen. Gemeinsam verlassen die Mädchen tuschelnd die Küche. Marry deckt den Tisch und kurz darauf nimmt jeder seinen Platz ein.

„Nach dem Frühstück werden wir uns langsam auf den Weg zu dir nach Hause machen“, verkündet Marry organisatorisch, während sie in ihr geschältes Ei beißt. „Aber vorher können wir noch ein Sp…..IIIIIHHHHH!“, unterbricht sie ihren Satz plötzlich. Die Mädchen krümmen sich vor Lachen und  klatschen sich siegreich ab.  Als Marry bemerkt, wie Emily und ihre Cousine ihren Triumph feiern, ist ihr klar, dass sie das Salz aus dem Streuer gegen Zucker ausgetauscht haben. Da Marry es noch nicht ausgesprochen hat, lässt sie auch Paul sein Ei mit dem ausgetauschten Zucker bestreuen und wartet seine Reaktion ab. Bis hierher dachte Paul, Marry hätte ein schlechtes Ei erwischt. Nun weiß er, warum sie so reagiert hat. Die Kinder lachen aufgeregt, während Marry und Paul ihre süßen Frühstückseier „genießen“.

„Womit haben wir das denn verdient?“, fragte Paul die Mädchen  lachend, während er sich mit verzogenem Gesicht den Mund abwischt.

Das war für den Wächter, den ihr uns auf den Tisch gestellt habt. Der konnte ja nur von euch kommen“, erklärt Emily prompt.

„Was für ein Wächter?“, fragt Marry sichtlich irritiert.

„Na der dort“, sagt Sunny und zeigt auf das Männlein, dass sie vor dem Frühstück auf die Fensterbank stellten.

„Der ist nicht von mir. Hast du den gemacht, Schatz?“, fragt sie Paul verwundert.

„Nein, habe ich nicht. Meiner wäre viel größer und angsteinflößender“, stellt er schließlich fest.

„Von wem ist er dann, wenn nicht von euch?“, möchte Sunny verunsichert wissen.

„Vielleicht hat einer von euch beiden geschlafwandelt und ihn gebaut“, scherzt Paul.

„Das ist nicht witzig!“, fährt Emily ihn schroff an. „Wenn ihr es nicht wart, und wir nicht, wer dann?“

„Wer weiß“, antwortet Marry schulterzuckend, während sie den letzten Bissen von ihrem Marmeladenbrötchen nimmt.

Nachdem die Familie gemeinsam den Tisch abgeräumt hat und Sunny sich ins Badezimmer zurückgezogen hat, legt sich Emily entspannt auf die Couch, um auf ihrem Handy Nachrichten zu beantworten. Im Augenwinkel vernimmt sie eine schnell vorbei huschende Bewegung, kann bei direktem Hinsehen jedoch nichts sehen. Wahrscheinlich eine Fliege!“, denkt sie schließlich und widmet sich erneut ihrem Nachrichtenverlauf. Als kurz darauf  ein leises Klopfen hinter dem Sofa zu hören ist, schreckt sie jedoch auf.

„Peppels, hör auf damit!“

Doch bei genauem Hinsehen bemerkt sie, dass der Familienhund nicht hinter der Couch liegt.

„Mama ist Peppels bei dir?“, ruft sie fragend in die gegenüberliegende Küche.

„Ja, sie sitzt an ihrem Futternapf und frisst.“, kommt die prompte Antwort von Marry.

Das kann nicht sein! Paul ist es nicht, ihn hätte ich direkt gesehen. Peppels ist es auch nicht und Sunny ist im Bad. Was zum Teufel war das?, denkt sie beunruhigt und rutscht auf ihrem Platz in eine aufrechte Haltung. Erneut legt sie sich über die Rückenlehne, um nachzusehen. Doch auch diesmal kann sie niemanden sehen. Anscheinend werde ich verrückt. Erst fliegt was an meinem Kopf vorbei und dann klopft auch noch die Couch?

Irritiert legt sie ihr Handy aus der Hand, steht vom Sofa auf und zieht sich an.

„Ich gehe runter in den Hof, aufs Trampolin. Wenn Sunny fertig ist, soll sie nachkommen. Okay?“, ruft sie ihrer Mutter zu.

„Alles klar, wir sagen ihr bescheid.“, bestätigt Marry, weist sie aber noch auf etwas hin:„Denk aber bitte daran, dass ihr nicht mehr so viel Zeit zum Springen habt, wir fahren Sunny nachher nach Hause.“

„Ich weiß, wir machen nicht lange. Ihr könnt ja einfach runter komm en, wenn es losgeht. Wir trainieren noch den Salto, das weißt du doch.“, gibt Emily aus dem Treppenhaus zurück, während sie ihre Schuhe anzieht. Nichts ahnend, was in diesem Moment hinter dem Sofa im Wohnzimmer vor sich geht, tritt sie die braune Holztreppe hinab und geht im Kopf den richtigen Absprung für ihren Salto auf dem Trampolin durch.

- Ende Teil 1 -

Wie es weiter geht erfährst du am 30.10.2020 um 14:30 hier auf www.feohwynn.de


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