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Wonach genau suchen wir?

Die steinerne Bibliothek

Die steinerne Bibliothek

Hallo liebe Leser, Hörer, Kreative, Verrückte, Einzelgänger, Musiker, Träumer, Wegbegleiter und Zauberwesen der ganzen Welt. Heute möchte ich, Fokus, euch auf eine Reise mitnehmen, welche mich in die Welt der Menschen führte. Auch möchte ich mich bei denen bedanken, die den Raum dafür schufen und mir die Möglichkeit gaben, meine Märchen-Sammlung bei ihnen gut aufgehoben zu wissen.

 In meinem Zuhause, dem Drachenfels, liegt meine wunderschöne Höhle.  Viele Jahrhunderte widmete ich der Gestaltung meines Reiches, damit sich auch andere Geschöpfe darin wohl und geborgen fühlen. Ein Mal in der Woche halte ich in meiner Höhle Lesungen für Groß und Klein ab. Viele Stunden haben wir schon gemütlich beisammen gesessen, um gemeinsam Märchen zu lesen und nachzuspielen. Viele Wesen halfen mir im Laufe der Jahre, neue Werke aus aller Herren Länder in meine steinerne Bibliothek zu bringen. Leider mussten wir nun feststellen, dass der Platz nicht mehr ausreicht. So begaben meine Helferlein und ich uns auf den Weg, um einen neuen Lagerraum für die gebundenen Meisterwerke zu finden.

Ob in Stein gemeißelt, in Leder gebunden oder in Rinde graviert: die Bücher brauchen viel Platz. Das erkannte auch Gustav, unser frecher Bewohner aus Bär-Lin. Er brachte mich an einen magischen Ort in der Menschenwelt.

„Fokus, ich hab da was für dich. Die Menschen haben etwas erschaffen, von dem sie selbst nicht wissen, wann sie es nutzen können. Ich habe hier und da ausgeholfen. Was hältst du davon, wenn wir uns das in Ruhe ansehen?“, war seine Idee. Interessiert willigte ich ein und ließ ihn auf meinem Rücken Platz nehmen, um mich gemeinsam mit ihm auf die Reise zu begeben.

„Wohin fliegen wir denn überhaupt? Du weißt, dass mir auf Langstrecken schlecht wird?“, fragte ich Gustav.

„“Was bist den denn für ein Drache, wenn dir vom selber fliegen schlecht wird? Ich sitz doch hier oben und muss das Gewackel aushalten!“, gab er darauf zurück. „Wir fliegen nach Berlin. Also dahin, wo dieses große steinerne Tor steht, mit der Kutsche drauf. Vielleicht sollten wir die mal da runter heben und auf die Straße stellen. Da oben können die doch gar nicht damit fahren! Vielleicht sind die deswegen versteinert, wer weiß?!“

„Du musst noch viel lernen, mein kleiner Freund“, antwortete ich lachend. Gustav ist ein toller und treuer Freund, mit seinen ganz eigenen Antworten auf alles. So ging unsere Reise weiter durchs Herzgebirge, Haxen bis nach Brandenburg.

„EEEEYYYYYY, was machst du? Warum machst du einen Sturzflug, Fokus?“

„Äpfel!“

„Was? Berlin!“

„Nein, Äpfel!“, antwortete ich erneut knapp und setzte meinen Sturzflug fort.

„Ich rutsche hier in einem Affenzahn über deinen Rücken mein alter poriger Freund. Nimm sofort deinen Korpus wieder hoch und flieg gerade. Sonst krieg ich Reiseübelkeit!“, hörte ich ihn rufen, während ich im Landeanflug auf eine Apfelplantage war und nur noch Aufmerksamkeit für die Äpfel hatte.

„Ernsthaft, Drache? Äpfel? Jetzt?“, fragte er mich mit zitternder Stimme

. Leider kann ich nichts dagegen tun. Ich esse für mein Leben gern Äpfel. Immer und überall da, wo ich sie sehe, verliere ich die Kontrolle über mein Flugverhalten und muss sie essen. Gustav blieb also nichts anderes übrig als zu warten.

„Wenn das noch länger dauert, eröffnen die Menschen den Ort doch noch, bevor wir da sind. Dann hast du keine Bibliothek mehr. Jetzt lass uns bitte weiter fliegen, die Äpfel kannst du dir auch noch auf dem Rückweg abholen!“

Ich aß noch in Ruhe die letzten kernigen Obstbälle, bevor ich Gustav zurück auf meinen Rücken einlud. Unser Flug führte uns über endlose Weiten in Brandenburg. Die Aussicht dort ist wunderschön, da es nur wenige Erhebungen gibt. Auf dem Kutschenberg, dem höchsten Berg Brandenburgs,  machten wir eine kurze Rast, da mir von dem langen Flug ein wenig übel wurde. Gustav rannte umher und versuchte vergebens, Blätter zu fangen, die von den Bäumen fielen. Mit klatschenden Händen lief er umher und fluchte, weil es ihm nicht gelang. Als wir unseren Flug vorsetzten und Berlin erreichten, klopfte Gustav auf meine Schulter und rief: „Da ist es!“

Ich erblickte ein riesengroßes, steinernes Areal. Viele große Gebäude, steinerne Böden und Straßen, auf denen gigantische Kreuze zu sehen waren. Als ich zum Landeanflug ansetzte, strampelte Gustav wild auf meinem Rücken und stoppte mich:

„Nein! Bist du verrückt? Der Boden sackt ab, sobald du ihn berührst. Unter der steinernen Straße ist Moor, das habe ich da hin gemacht. Deswegen haben sie die Kreuze hier hin gemalt. Lande auf dem Dach von dem großen Gebäude. Da kann uns nichts passieren“

Ich tat, was er mir sagte. Schließlich kannte er diesen Ort. Gustav erzählte mir, dass die Menschen diesen Ort erbauten, um Flugzeuge dort landen zu lassen. Allerdings haben sie sich hier und da verplant und an andreren Stellen hat Gustav ein wenig nachgeholfen, um die Eröffnung zu verzögern. Wir betraten das große Hauptgebäude, in dem Licht brannte. Gustav erklärte mir, dass dieses Licht rund um die Uhr brennt, weil es keine Lichtschalter zum ausmachen gibt. „Die habe ich einfach wieder abgebaut“, bemerkte er frech. Das war natürlich perfekt für unsere Bibliothek, schließlich kann man dann zu jeder Tages- und Nachtzeit lesen.

„Schau dich hier um, ich komme gleich wieder“, sagte Gustav zu mir, bevor er das Gebäude verließ. Da es keine Menschenseele an diesem Ort gibt, hatte ich Zeit, mich unbemerkt umzusehen. Selbst ein großer alter Drache wie ich staunt gern. Vor meinem inneren Auge baute ich Bücherregale in die gigantischen Hallen und Flure, welche ich erblickte. In meiner Fantasie baute ich eine neue, steinerne Bibliothek in die endlosen Weiten dieses Ortes. Aus meinen Tagträumen riss mich plötzlich Gustav, der nass, wie ein begossener Pudel, auf mich zugerannt kam.

„So du hast alles gesehen, lass uns zurück nach Hause fliegen!“

„Okay. Und warum bist du so nass?“, fragte ich ihn erstaunt. Während wir das Gebäude verließen um zurück auf das Dach zu gelangen, erzählte er mir, was passierte.

„Links und rechts vom Gebäude sind zwei große Wassertürme, die die Sprinkleranlage im Gebäude mit  Wasser versorgen. Ich war in einem der beiden Türme baden. Da ich aber kein Handtuch dabei habe, suchte ich schließlich etwas, woran ich mich trocknen kann. Ich fand diese Pustedinger auf den Toiletten und föhnte meinen ganzen Körper. Dann ging plötzlich die Tür auf und ein großer Mann betrat den Raum. Er hielt einen Strick in der Hand, an dessen anderem Ende ein Hund hing. Der arme Vierbeiner hatte den Strick um den Hals und sah irgendwie mies gelaunt aus. Das hat mir Angst gemacht. Der Mann konnte mich nicht sehen, der wütende Hund hingegen schon. Ich versuchte ihn zu beruhigen und erklärte ihm, dass mir kalt ist, weil ich nass bin. Der Mann sagte immer „Sitz!“ zu ihm und er setzte sich. Ich sagte ihm dann, er könne ruhig wieder aufstehen, wegen mir muss er nicht auf dem kalten Boden sitzen. Dann sagte der Mann wieder „Sitz!“, ließ den Strick los und schaute in die Kabinen der Toiletten, ob er jemanden sehen kann. Nun saß dieser Hund vor  mir und zeigte die Zähne. Dann zeigte ich ihm meine und grinste zurück. Das war aber gar kein Grinsen. Er brummte wie eine Hummel und kam mir immer näher. Ich hielt meine Hand an seine Stirn, um zu prüfen, ob er Fieber hat. Das gefiel ihm aber gar nicht. Ich sagte ihm erneut, er soll doch von dem kalten Boden aufstehen, wenn es ihm am Hintern weh tut. Anders konnte ich mir sein Verhalten nicht erklären. Dann kam der schwarz gekleidete Mann wieder und hob den Strick  vom Boden auf, der immer noch am Hals des Hundes hing. Er war irritiert, weil der Hund seine Zähne zeigte und in meine Richtung guckte. Er öffnete die Tür und sagte, dass hier niemand sei. Den Hund hinter sich her zerrend verließ er den Raum. Die scheinbar kranke Hummel wollte aber nicht gehen und zog den Mann immer wieder zu mir zurück. Da rannte ich einfach hinaus auf den Gang, in der Hoffnung, dass der Hund sich dann beruhigt. Geklappt hat es nicht, er rannte mir hinterher. Ich glaube, er vergaß den Strick an seinem Hals und zog nun auch den Mann hinter sich her. Wir rannten zu dritt durch die Flure. Also eigentlich zu zweit, denn der Mann hatte das Gleichgewicht verloren und fiel zu Boden. Den Strick noch fest in seinen Händen haltend wurde er von dem Vierbeiner über den Fußboden gezerrt. An der Treppe erschien mir das Spiel ein wenig unfair und ich blieb abrupt stehen. Ich hob meine Hand und rief „Stopp, sitz!“. Dann rannte ich allein die Treppe hinunter und er blieb sitzen. Dann fand ich dich.“

„Dich kann man keine Minute aus den Augen lassen, kleiner Freund.“, stellte ich lachend fest.

„Ach was! Ich habe einen neuen Freund gefunden, er weiß es nur noch nicht. Wenn ich öfter her komme, wird er sich schon an mich gewöhnen. Holen wir jetzt deine Bücher? Mit den vielen hier rum stehenden Autos von VW können wir deine schweren Bücher herrlich leicht transportieren“, sprach er vorfreudig.

„Wie lange können wir diesen Ort denn für uns nutzen?“, fragte ich skeptisch. Schließlich soll ja hier irgendwann Flugverkehr betrieben werden.

„Ich glaube nicht, dass das so schnell geschehen wird. Bis zur Eröffnung werden noch viele Schnittchen geschmiert und eine Menge Zeit vergehen. Außerdem habe ich immer wieder neue Ideen, um die Eröffnung ein wenig zu verzögern. Es gibt hier so viele Flughäfen, da können die Menschen ruhig noch ein bisschen auf den hier warten“, antwortete er überzeugt.

Ich legte mich zufrieden lächelnd auf den Boden, um Gustav den Weg zu meinen Rücken zu erleichtern. Er stieg auf und ich erhob mich mit sanften Flügelschlägen vom Dach unserer neuen steinernen Bibliothek. Wie lange wir uns hier aufhalten werden ist ungewiss, jedoch werden wir es sehr genießen. Feohwynn ist überall.



1 Kommentar


  • Liebe Billy,
    wieder eine ganz wundervolle Geschichte, die mich sehr schmunzeln lies. Hach…dieser Flughafen. Er bewegt sogar Feohwynn! :-)

     Lydia

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